Wohnungseigentümern einer Wiener Liegenschaft, denen im Zuge des Ankaufes ihrer Wohnungen das Benützungsrecht an Kfz-Stellplätzen im Hof gemäß einer gültigen Benützungsregelung übertragen wurde, wurde mit Bescheid der MA 37 der Auftrag nach §129 Abs 10 Wiener Bauordnung (WrBO) erteilt, die Verwendung der Hofflächen als Kfz-Abstellplätze zu unterlassen, obwohl Kraftfahrzeuge seit über 80 Jahren dort abgestellt wurden. Das Verwaltungsgericht Wien bestätigte mit Urteil von 09.02.2021 den Unterlassungsbescheid (VGW-211/005/3355/2020/VOR).
Gemäß Flächenwidmungs- und Bebauungsplan ist die strittig Hoffläche als „G“ (gärtnerische Ausgestaltung) ausgewiesen. Dass seit 1938 Kraftfahrzeuge in den Hof aus- und eingefahren sind und abgestellt wurden, half den Wohnungseigentümern nicht, denn im Bauakt fand sich weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige für die gegenständlichen Kfz-Abstellplätze im Hof. Auch lag kein Plan auf, in dem Stellplätze im Hof ausgewiesen wären. Es war lediglich eine aus dem Jahre 1938 stammende Bewilligung für eine Gehsteigauffahrt und eine Gehsteigüberfahrt für die gegenständliche Liegenschaft aktenkundig. Das angerufene Verwaltungsgericht Wien folgte daraus nur, dass seit diesem Zeitpunkt Kfz in den Hof ein und aus fuhren. Diese Bewilligung ersetze jedoch nicht eine baubehördliche Bewilligung für die Kfz-Abstellplätze.Â
Bereits die seit 1930 geltende Bauordnung für Wien enthielt Vorschriften für den Bau und die Einrichtung von Einstellräumen für Kraftwagen. Eine darauf basierende Verordnung aus dem Jahre 1931 sah für Einstellplätze, wenn keine genehmigungspflichtige Bauherstellung damit verbunden ist, eine Anzeigepflicht vor. Im Bauakt fand sich weder Bauanzeige noch Bewilligung für die gegenständlichen Kfz-Abstellplätze im Hof und konnte von den beschwerten Wohnungseigentümern auch nicht der Beweis erbracht werden, dass eine solche jemals vorgenommen bzw eingeholt wurde.
Im Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens eines vermuteten Konsenses für ein jahrzehntelang unbeanstandet gebliebenes Gebäude ist zwar ein besonders sorgfältiges Ermittlungsverfahren durchzuführen, da aber die Hauseinlage (Bauakt) bis ins Jahr 1898 zurückreicht, zahlreiche Bewilligungen enthält und sich kein Hinweis darauf ergeben hat, dass diese – insbesondere was die Bewilligung oder Anzeige der Hof-Kfz-Abstellplätze betrifft – unvollständig wäre, ist nicht davon auszugehen, dass die Kraftfahrzeuge im Hof der Liegenschaft jemals konsensgemäß abgestellt wurden.
Der Bescheid aus dem Jahr 1938, der eine Bewilligung der Gehsteigauf- und -überfahrt einräumte, kann die seit dem Jahr 1931 erforderliche Bauanzeige und die seit dem Jahr 1957 erforderliche Baubewilligung nach dem Wiener Garagengesetz nicht ersetzen. Auch aus den Kaufverträgen der einzelnen Wohnungen und der darin getätigten alleinigen Benützungs- und Nutzungsrechte für den Hof für den Rechtsvorgänger der betroffenen Wohnungseigentümer ergibt sich lediglich eine privatrechtliche Nutzungsberechtigung, die jedoch ebenfalls eine Bauanzeige oder Baubewilligung nach den Wiener Bauvorschriften nicht zu ersetzen vermag. Der gegenständliche Bauauftrag zur Beseitigung der Kfz-Abstellplätze im Hof erfolgte somit zu Recht, auch wenn diese offenbar schon seit einigen Jahrzenten bestehen.
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FAZIT
Kfz-Einstellplätze sind nicht gesichert, auch wenn eine jahrzehntelange Übung diesen Anschein erweckt.
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TIPPS
- Der Baukonsens zu Kfz-Stellplätzen, insbesondere auch im alten Gebäudebestand, ist genau zu prüfen. Eine wohnungseigentumsrechtliche und zivilrechtlich einwandfreie Rechtslage ist nur „die halbe Miete“.
- Achtung Bauträger, Projektentwickler und Makler. Gewährleistung und Haftung können lange nach dem abgeschlossenen/vermittelten Rechtsgeschäft auftreten. Zivilrechtlich einwandfreie Nutzungsrechte sind unbedingt auch öffentlich-rechtlich zu prüfen. Offenkundige, langjährige Übung saniert einen fehlenden Baukonsens nicht.
- Kfz-Abstellplätze bedürfen auch ohne Bauführung grundsätzlich einer baubehördlichen Bewilligung. Die Bewilligungspflicht nach dzt Rechtslage ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Z 2 Wiener Garagengesetz (WGarG) 2008. Gemäß § 3 Abs. 3 WGarG 2008 bedarf keiner Bewilligung nach Abs. 1 Z 2 das Einstellen von höchstens zehn Krafträdern oder zwei Kraftwagen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von je 3.500 kg auf einer unbebauten Liegenschaft oder in einem nicht allseits durch Gebäudemauern umschlossenen Hof von mindestens 80 m² Grundfläche, weiters in einer Abstandsfläche, wenn der Abstand vom Gebäude zur Nachbargrenze mindestens 3 m beträgt.Â
Autorin: Manuela Maurer-Kollenz/Müller Partner Rechtsanwälte GmbH. Müller Partner Rechtsanwälte sind Experten in allen immobilienrechtlichen Fragen und unterstützen Sie gerne
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