Der neue Handel

VAUND ist eines der neuen Shop-Konzepte
Der Handel stellt sich neu auf. Es wird experimentiert, gepopupt, und neue Formate werden ausprobiert. Wer hätte sich vor Jahren Flächen vorstellen können, die nicht den Umsatz zum Ziel haben? Zumindest nicht den direkten, denn in Zeiten des flinken Klickens im Internet erhalten Flagshipstores neue Bedeutung, in denen die Marke erlebbar gemacht wird, Produkte erklärt und angegriffen werden können.
Erlebnisflächen
Beispiel Schauräume: Liebherr mietete sich ins THE ICON beim Wiener Hauptbahnhof ein und zeigt Küchenlifestyle (Bild), Bosch bringt seine Erlebniswelt in der frequenzstarken Mariahilfer Straße, Tesla präsentiert sich (noch) in der Herrengasse – alles beste Lagen.

Liebherr Showroom beim Wiener Hauptbahnhof

Vertriebskanal oder Verkaufsfläche? Ein Mischmasch.
Erst ausprobieren, dann kaufen
Testflächen für Produkte aus dem Internet sind die jüngsten Formate. „Try before you buy“ werden sie auch genannt. Hier werden keine Waren im Geschäft gekauft, sie sollen nur – ergänzend zum Internet – in echt präsentiert werden. Oft werden auch kleine, noch unbekannte Hersteller promotet. Diese zahlen für die Ausstellungsfläche und bilden so das Einkommen des Shop-Betreibers. Letzterer jagt somit nicht den Umsätzen hinterher, sondern ist eher an hochfrequenten Lagen und lässigem Lifestyle im Shop interessiert.
Zuletzt haben in Deutschland einige solche Formate eröffnet. Vaund etwa, oder The Latest etwa, die haben Ende November 2020 in einem ehemaligen Stefanel-Shop mitten am prominenten Berliner Kurfürstendamm eröffnet haben. Wer sein Produkt hier der Öffentlichkeit zeigen möchte, zahlt 1.500 Euro pro Monat für eine 1 mal 0,5 Meter große Präsentationsfläche. Dazu gibt es gemeinsame Werbeaktivitäten in der Stadt als Promotion.
Neu in der Wiener Rauhensteingasse: Hypeneedz
Gebrauchte Latschen um 700 €
Gekauft wird hingegen gebrauchte Ware, und zwar Sneakers, Hoodies und ähnliches. Otto Immobilien hat HypeNeedz in die Wiener Rauhensteingasse gebracht, eine Geschäft, das erst nur über Instagram und Blogs lief, sich später in München auf eine Geschäftsfläche traute und nun auch in Wien als Mieter auftritt. Gehandelt werden 2nd-Hand Sammlerstücke. Da kosten die gebrauchten Turnschuhe schon mal 700 Euro.
Online-Supermärkte
„Derzeit wird unglaublich viel Neues getestet“, meint Mario Schwaiger, Leiter des Geschäftsbereichs Retail bei EHL. Während die Trybeforeyoubuy-Shops noch mehr Wagnis darstellen, drängen Online-Supermärkte auf einen – sicherlich durch Corona miterzeugten – stabileren Markt. Die Nachfrage sei enorm, die ersten beiden Marken Gurkel.at und Alfies seien da nur der Beginn. Hier findet sich auch die Verbindung zu City Logistikflächen, schließlich brauchen die Supermärkte Lager und Verteilzentren.
Online-Supermärkte heißt City-Logistik-Fläche
Im Autohaus kann man kein Auto mehr kaufen
Außerdem vernimmt Schwaiger eine hohe Nachfrage seitens der Mobilitätsbranche. In der Wiener Mariahilfer Straße hat die Porsche Holding ein Themen PopupStore umgesetzt, und auch E-Scooter-Werkstätten, Servicepunkte für E-Fahrräder werde erst in Zukunft brauchen.
In großem Stil zeigt sich dieser Trend in Amsterdam und Göteborg, dort hat Lynk & Co, eine Marke des chinesischen Automobilherstellers Geely, der seit 2010 auch Mutterkonzern von Volvo ist, seine ersten europäischen Mobilitäts-Stores eröffnet. Sie sollen ein Treffpunkt für die Community sein. Zentrales Element ist eine Kaffeebar, Veranstaltungsflächen sind essenziell, Co-Working Spaces gibt es auch. Nur Autos kann man hier keine kaufen. Die Fahrzeuge von Lynk & Co werden über eine Abo-Mitgliedschaft vertrieben, das Geschäft nennt sich daher selbst auch „Club“. Das erste verfügbare E-Auto ist ausgestellt, Probefahrten sind möglich. So schaut das Autohaus in Amsterdam aus:
Text: Heimo Rollett
Der Text basiert auf einem Artikel von mir im Trendguide „Immobilienwirtschaft“ (Ausgabe 1/21), einer Beilage des Standard.
Fotos: Mister Spex, REALTIME, Liebherr, Oliver Güth/_blaenk, Otto Immobilien, Gurkerl.at